Vorwort

Institutionsgeschichte

Die Verlagsgründung erfolgte im Jahr 1919 in Hartenstein im Erzgebirge. Zu den Mitbegründern gehörte Karl Dietz, der bald Verleger des ab 1921 in Rudolstadt (ab September 1926 auf der Heidecksburg) ansässigen Greifenverlages wurde. Verlagsname und Verlagssignet gehen auf eines der Bundeszeichen der Wandervogelbewegung und der Freideutschen Jugendbewegung zurück, auf das Fabeltier Greif. Der selbstbewusste, streitfreudige und anpassungsfähige Dietz rettete den Verlag aus politischen und wirtschaftlichen Krisen der ersten Jahre der Weimarer Republik. Das Buchhaus entwickelte sich in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts zu einem literarisch und künstlerisch ambitionierten Unternehmen, in dem Erstausgaben von Karl Grünberg oder Johannes R. Becher sowie sexualpädagogische Schriften, z.B. von Max Hodann, erschienen. Bald hatte sich der Greifenverlag zu einem Rudolstädter Verlag mit gesamtdeutscher Ausstrahlung herausgebildet. Er verlegte Werke linker Schriftsteller der Weimarer Republik genauso, wie Werke von völkischen Autoren. 1945 gehörte er zu den ersten Neugründungen des deutschen Verlagswesens mit sowjetischer Lizenz, der mit Autoren wie zum Beispiel Lion Feuchtwanger, Victor Klemperer, Paul Zech oder später Inge von Wangenheim Akzente setzte. So behauptete sich der Verleger als Unternehmer in der Weimarer Republik, in der Zeit der Hitler-Diktatur, über die ersten Jahre nach dem Krieg bis in die DDR. Der Verlag gehörte damit zu den bekanntesten belletristischen deutschsprachigen Verlagen des 20. Jahrhunderts. Seine bedeutendste Phase erlebte das Rudolstädter Haus in den fünfziger Jahren, als es sich unter Führung des Inhabers und Mitbegründers Karl Dietz mit der Herausgabe von Exilliteratur, ausgewählten Bereichen der Weltliteratur und illustrierten Büchern profilierte. Bis 1964 wurde er noch privat vom Verleger Karl Dietz geführt. Nach dessen Tod verkaufte Tochter Gundel Dietz-Elgers den Greifenverlag an den Staat. Das Unternehmen firmierte ab 1. Dezember 1965 als VEB Greifenverlag. Sein Ruf litt jedoch in den letzten DDR-Jahrzehnten, weil er in dieser Zeit vor allem auf Unterhaltungsliteratur, u.a. Kriminalromane, spezialisiert war.

Dem mit der politischen Wende in der DDR im Herbst und Winter 1989/1990 folgenden Übergang von der Plan- zur Marktwirtschaft war der Verlag nicht gewachsen. Nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland 1990 mutierte das Unternehmen zur Greifenverlag GmbH, dessen Gesellschafteranteile zu hundert Prozent durch die von der Volkskammer der DDR mit Beschluss vom 17. Juni 1990 gegründete Treuhandanstalt gehalten wurden. So führten zum Beispiel fehlende finanzielle Mittel, Probleme bei der Umstellung auf ein den neuen Bedingungen angepasstes Verlagsprofil, die Konkurrenz aus den alten Bundesländern sowie den neu entstandenen Verlagen in der DDR zu erheblichen geschäftlichen Turbulenzen, die sich nicht zuletzt auch auf die Zusammenarbeit mit Autoren auswirkten.
Dieser Betriebsform war jedoch nur ein kurzes Leben beschieden. Das Kapitel Greifenverlag der Rudolstädter Buchgeschichte, mit insgesamt 921 produzierten Titeln, endete abrupt nach zwei gescheiterten Privatisierungsversuchen im Jahr 1993.
Bleibt noch anzumerken, dass der im Thüringischen Staatsarchiv Rudolstadt verwahrte Bestand Fürstliche Hofbuchdruckerei F. Mitzlaff/Druckhaus Rudolstadt mit dem Bestand Greifenverlag Rudolstadt korrespondiert, denn das Druckhaus arbeitete über längere Zeit mit dem Greifenverlag eng zusammen. Das Druckhaus Rudolstadt war 1992/93 liqudiert worden.

Die Verlagsleiter

Karl Dietz (Verleger 1921 - 1964)
Hubert Sauer (1965 - 1979)
Ernst Karl Wenig (1979 - 1985)
Dr. Ursula Steinhaußen (1986 - 1989)
Karin Schade (1990 - Januar 1991)
Lothar Seyfarth (Kommissarischer Geschäftsführer Januar 1991 - März 1991)
Jürgen Pröhmer (Übereignung des Verlages durch die Treuhand im März 1991 rückwirkend zum 1. Juli 1990 - September 1991, Beginn Konkurs)
Felix Weigner (Februar 1992 - August 1993)

Die Cheflektoren

Ernst Karl Wenig (ca. 1956 - 1961)
Paul Schmidt (Schmidt-Elgers) (1961 - 1965)
Ernst Karl Wenig (1965 - 1979)
Dr. Ursula Steinhaußen (1980 - 1986)
Helmut Nitzschke (1986 - 1993)

Vornehmlich für Fragen der Themenplanung, Talenteförderung und der literarischen Qualität stand dem Verlagsleiter nach 1965 der Verlagsbeirat zur Seite. Dieser setzte sich v.a. aus Verlagsmitarbeitern, Schriftstellern, Literaturwissenschaftlern und Bibliothekaren zusammen.

Bestandsgeschichte und Bearbeitungsbericht

Die Übernahme des Verlagsschriftgutes ans Archiv erfolgte in mehreren Etappen. Erstmalig gab der VEB Greifenverlag Rudolstadt 1976 0,5 lfm bzw. 64 Akten aus der Zeit von 1945 bis 1975 auf der Grundlage der Verordnung über das staatliche Archivwesen (vom 11. März 1976) an das damalige Staatsarchiv Rudolstadt ab. Die Verzeichnung der Konvolute nahm 1976 Frau Archivassistentin Barbara Müller vor. Weitere Übernahmen erfolgten im September 1992 (32,5 lfm mit Abgabelisten), Juni bis November 1993 (78,9 lfm mit Abgabelisten für die Akten, darunter ca. 69 lfm Bücher Belegexemplare Verlagsarchiv, Lektoratsarchiv, Abteilung Herstellung, Lizenzausgaben, Verlagsausgaben bis 1933 sowie Verlagsausgaben 1992/93) und im Mai 1994 (20,3 lfm nur zum Teil mit Abgabelisten, davon 2,3 lfm Bücher). Dabei gelangte der gesamte Nachlass des in Konkurs gegangenen Verlages unbewertet als sogenannte Notübernahme ins Staatsarchiv. Die Bücher wurden Mitte der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts von Frau Roswitha Rabe aufgenommen und als "Verlagsbibliothek Greifenverlag" der Präsenzbibliothek des Thüringischen Staatsarchivs Rudolstadt zugeordnet (Umfang nach Verpackung in Kartons: 30,2 lfm). Dem Kustos des Landesmuseums Heidecksburg Rudolstadt Herrn Jens Henkel ist es zu verdanken, dass eine weitere Buchserie der Verlagsproduktion in das Deutsche Literaturarchiv in Marbach am Neckar gelangte.
Der Aktenbestand wurde zunächst von Frau Angela Höltzer im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme von Mai 1998 bis April 1999 intensiv verzeichnet (Nr. 1 - 635, wobei zunächst die einst von Frau Müller übernommen 64 Verzeichniseinheiten ohne Umsignierung übernommen wurden). Von Juli 1999 bis Dezember 2004 erfolgte mit großen Unterbrechungen die Verzeichnung des Verlagsbestandes durch Diplom-Archivar (FH) Frank Esche (Nr. 636 - 1965 und 2056 - 2078). Die archivische Bearbeitung des Teilbestandes "Das Werk Paul Zechs" nahm Frau Archivamtfrau Andrea Steinbrücker im Jahr 2002 vor (Nr. 1966 - 2055).
Im Pozess der Verzeichnung machte sich überwiegend eine Feinkassation (vornehmlich Entfernung von Doppelstücken) und Neuformierung der Akten erforderlich. Die inhaltlichen Schwerpunkte des Bestandes sind aus seiner Klassifikation ersichtlich.
Die massenhaft vorhandenen Arbeitsmappen wurden im Verlag vornehmlich zu einzelnen Autoren und deren Werke angelegt und widerspiegeln den Prozesscharakter beim Entstehen der geistigen Produkte. Da diese Akten nur einfach verzeichnet wurden, wird vorsorglich darauf aufmerksam gemacht, dass im Aktentitel die Arbeitstitel der entstandenen Werke aufgenommen wurden, d.h. dass sich der Titel des Endproduktes unter Umständen geändert hat.
Sachakten wurden mit dem Stichtag 31.12.93 30 Jahre, personenbezogene Akten 90 Jahre nach der Geburt gesperrt.
Kassiert wurden vornehmlich Doppelstücke, aber auch Textfilme, Druckfahnen, Karteien über vergebene Belegexemplare und Honorarzahlungen (Aussagen darüber sind in den Arbeitsmappen enthalten), die allgemeine Buchkartei zu Ausgaben anderer Verlage, Reisekostenabrechnungen 1991, Bankbelege aus der Zeit von Dezember 1990 bis Okt. 1991, Buchungsbelege 1991, Zahlungserinnerungen und allgemeiner Schriftverkehr dazu (insgesamt ca. 9,4 lfm).
Der Umfang des Bestandes beträgt nach der Verpackung der Akten in säurefreien Kartons 44,20 lfm.


Zitiervorschrift:

ThStA Rudolstadt Greifenverlag Rudolstadt Nr....

Quellen und Literatur (Auswahl):

- Vornehmlich im Bestand Staatsanwaltschaft beim Thüringischen Landgericht Rudolstadt lassen sich Akten finden, die Auskunft über das Wirken des Verlegers Karl Dietz und den Greifenverlag geben (Signaturen: 25, 464, 512, 516 - 517, 535 und 546 - 550).
- Carsten Wurm, Jens Henkel und Gabriele Ballon: Der Greifenverlag zu Rudolstadt 1919 - 1993 (Verlagsgeschichte und Bibliographie), In Kommission bei Harrassowitz Verlag Wiesbaden 2001
- Jens Henkel: Der Verlag "Gesundes Leben" Mellenbach-Rudolstadt, von den lebensreformerischen Ideen des Wilhelm Hotz zu den Pendelforschungen von Karl Dietz - Verlagsgeschichte und Bibliographie 1904 - 1941, in: Blätter der Gesellschaft für Buchkultur und Geschichte, 6. Jahrgang, Hain-Verlag Rudolstadt 2002, S. 83 ff.
- Karl Dietz - Aus der verlegerischen Arbeit im Greifenverlag, in: Sonderheft der Rudolstädter Heimatheft, Hsg. Landkreis Saalfeld-Rudolstadt 1997, S. 125 f.
- Inge von Wangenheim: Rudolstadt als Wahlheimat, in: Sonderheft der Rudolstädter Heimathefte, Hsg. Landkreis Saalfeld-Rudolstadt 199z, S. 127 f.
- Karl Dietz (Hsg.): Der Rote Greif - Eine Schau unseres Wirkens und Planens, Greifenverlag zu Rudolstadt, 1947
- Karl Dietz und Willi Geißler (Hsg.): Das Wandervogelbuch - zweiter Teil, Greifenverlag zu Rudolstadt 1924
- 70 Jahre Greifenverlag zu Rudolstadt (1919 - 1989), Greifenverlag zu Rudolstadt 1989
- Carsten Wurm: Auf den Schwingen des Greifen - Karl Dietz und der Greifenverlag (Vortrag auf der Jahrestagung der Pirckheimer Gesellschaft im Juni 1999 in Rudolstadt und Saalfeld, Computerausdruck)
- Gedenkworte für Karl Dietz - Gesprochen in der Feierstunde seiner Beisetzung am 17. August 1964 von Dr. Hans Malberg, Weimar


Rudolstadt, Juli 2007


Frank Esche
Diplom-Archivar (FH)